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Der Traum vom maschinellen Glück, oder schon wieder eine Six-Motor-Revision

Helge Torgersen

Ich hatte einen Traum –

Ich hatte einen Traum, dass alle Räder rund laufen, dass in allen sechs Zylindern gleichmäßig komprimiert wird, dass im Leerlauf alles unhörbar dahin säuselnd schnurrt, wenn ich auf den Startknopf drücke (ich muss englisch drücken, nicht französisch ziehen), so dass ich eine Penny-Münze hochkant auf den Motor stellen könnte, ohne dass sie umfällt, dass mein Six sich nach Einlegen des ersten Ganges dann wie Butter in der Sonne in Bewegung setzt, dass dabei aus dem Auspuff vielleicht ein kleines Wölkchen entweicht, nicht weiß, nicht blau, nicht schwarz, einfach nur ein Wölkchen, und dass da, wo ich gestanden bin, nichts im Staub zurück bleibt als die Zickzack-Spur meiner Michelins und kein hässlicher Ölfleck.

Ich hatte einen Traum, wie ich da stand vor der Ampel und wusste, dass beim Wegfahren eine veritable blaue Zweitaktwolke stehen bleiben würde, obwohl doch Citroen niemals Zweitakter gebaut hat. Wie ich mich vor jeder Bergabfahrt fürchtete, weil ich das Gefühl nicht los wurde, dass mein Hintermann oder meine Hinterfrau sofort zum Handy greifen würde um die Polizei zu verständigen, dass da ein Umweltverschmutzer unterwegs sei. Wie ich neulich innerlich fluchte – bloß innerlich, denn meine Schwiegermutter saß im Wagen und wollte heimgefahren werden, nichts gegen meine Schwiegermutter ansonsten, sie ist reizend im besten Sinne – als ich braunen Schaum an der Ölklappe wie auf einem doppelten Einspänner im vornehmsten Wiener Kaffeehaus entdeckte, wie ich verzweifelt aufs Gas stieg, als der Lastwagen auf der Gegenfahrbahn, auf der ich mich befand, dem Traktor, den ich zu überholen ansetzte, immer näher kam und aus dem Motorraum bloß ein müdes Röcheln tönte, wie im Leerlauf Herzrhythmusstörungen einsetzten, im Motor als auch, in der Folge, bei mir, wie ein seltsames Geklapper trotz fünfmaligem Einstellen der Ventile nicht zu beseitigen war und sich auf meine Zähne zu übertragen schien, wie nach jedem Parken ein glänzender schwarzer Fleck auf dem Asphalt fröhlich von meinem beendeten Aufenthalt kündete, wie dies und jenes und anderes rief: Überhole mich, ich bin dein Motor!

Da beschloss ich, Mechaniker zu werden. Hier nun einige Erlebnisse und Gedanken im Gefolge dieser tollkühnen Entscheidung. Man mag sich in diesem Forum allerdings fragen, was denn noch zum Thema Motor-Revision zu sagen und schreiben wäre, nachdem bereits mehrfach und in unüberbietbarer Detaillierung darauf eingegangen wurde. Um es vorweg zu nehmen: Mehr als Dani Eberli etwa kann ich nicht bieten. Ich kann nur erzählen, wie es einem Laien geht, der sich auf so etwas einlässt. Gleich vorweg: Ich lebe noch, und das nicht schlecht. Vielleicht traut sich ja der eine oder die andere angesichts der hier geschilderten Erlebnisse, etwas Ähnliches in Angriff zu nehmen.

Wie jeder Six-Eigner, der etwas auf sich hält, hatte ich, seit ich das Auto im Jahre 1990 gekauft hatte, den Motor bereits mehrmals dem Wagen entnommen, aus unterschiedlichen Gründen. Zwei davon waren Revisionen, also der Tausch von Kolben und Laufbüchsen sowie der Lager, wo nötig. In Zeiten, als die Traction noch Alltagsauto war, wurde dies öfter durchgeführt, ja es war geradezu ein Verkaufsargument von Citroen gewesen, dass man die (nassen) Laufbuchsen so einfach tauschen könnte und die Zylinder nicht mühsam aufbohren musste. Wie oft so ein Tausch nötig war, entzieht sich meiner Kenntnis, aber eine Motorrevision um die 50.000 km Laufleistung war vermutlich nicht ungewöhnlich.

Dazu suchte man eine Fachwerkstätte auf, und auch meinen Motor hatten bisher Fachleute (wenn auch natürlich keine aktuelle Citroen-Werkstätte) in Arbeit gehabt. Die Tatsache, dass offenbar eine neuerliche Revision fällig war, ließ mittlerweile in mir leise Zweifel an deren Kompetenz aufkeimen; immerhin hatte ich kaum 20.000 km seit dem letzten Mal hinter mich gebracht. Jetzt wollte ich es selber wissen, denn geringeren Erfolg würde ich wohl auch nicht haben, dachte ich. Obwohl ich notorisch zu Selbstzweifeln neige, ergab eine rationale Abwägung des Leidensdruckes aus einem nicht ordentlich funktionierenden Motor (Wirklichkeit) und der drohenden Katastrophe, einen weiteren Fachmann zu Rate ziehen oder gar mit der Arbeit beauftragen zu müssen, wenn ich mich selber als nicht fähig genug erweisen sollte (Möglichkeit), angesichts des Indikativ-zu-Konjunktiv-Verhältnisses ein eindeutiges Ergebnis: Go!

Die Gelegenheit war günstig, denn mein Schwager (nur das Beste über die Familie!) bot mir an, mich vorübergehend in einer alten, verlassenen Villa in einem ehemaligen Industriegelände am Stadtrand anzusiedeln, zu der er Zugang hatte. Diese war, wie sich das für alte Villen ziemt, mit einer großzügigen Garage gesegnet, in der sogar noch die Vorkriegs-Anlage zum Batterieladen die Zeitläufte überstanden hatte. Letzteres benötigte ich weniger als die Grube, die es ebenfalls zu bestaunen gab, obwohl die sie bedeckenden Bretter kaum mehr auszuhebeln waren. Kurz, ein verlockend romantisches Ambiente, in dem sich ein Six-Motor wohl trefflich überholen ließ.


All you need is space

Nun ist, wie gesagt, eine derartige Arbeit ja bereits eine Routineangelegenheit für den eifrigen Leser dieser Spalten. Voraussetzung für die Durchführung derselben scheint, Nichtraucher zu sein, um eine Anzahl von sechs Aschenbechern aus den nicht mehr gebrauchten Kolben herstellen zu können, die man dann auch nicht braucht (vgl. die Berichte von Dani Eberli). Dieses Kriterium erfüllte ich spielend; es war allerdings das einzige. Ich habe, dass sei vorausgeschickt, aus Dankbarkeit ein besonders schönes Aschenbecher-Exemplar meinem Schwager verehrt, obwohl der ebenfalls nicht mehr raucht, aber man weiß ja nie. Für den Rest von fünf bitte ich höflichst um Anforderungen; allfällige Zollgebühren für den Schweizimport sind vom Empfänger zu entrichten. Immerhin sind sie erhältlich, was an dieser Stelle bereits darauf hindeuten mag, dass die Operation geglückt ist.

Bevor man aber einen Kolben-Aschenbecher in Händen halten kann, muss dieser erst seinem ursprünglichen Biotop entnommen werden. Dazu muss der Motor raus. Ich fuhr also schweren Herzens und rauchenden Auspuffs quer durch Wien in die Villengarage. Angekommen, begann ich, die Garage, die als Abstellkammer missbraucht worden war, für die Arbeit herzurichten. Nach der Entrümpelung wurden dazu etliche Heurigentische (für die Schweizer Freunde übersetzt: Besenbeiz-Tische) aufgestellt und diese mithilfe von Pappkartons davor bewahrt, in Zukunft womöglich nicht mehr heurigen(besenbeiz)tauglich zu sein, weil sich unterschiedliche Aromen möglicherweise nicht miteinander vertragen könnten.

Der Ausbau des Motors gestaltete sich problemlos, wenn man davon absieht, dass ein zerlegter Six etwa das doppelte Volumen eines montierten Six einnimmt. Ein bloß vorne zerlegter also das Eineinhalbfache. Trotz der Größe der Garage wusste ich einfach nicht, wohin mit Stoßstangen, Motorhaube, Kotflügeln, Scheinwerfern, Stehblechen etc. Für den Motor allerdings hatte ich vorgesorgt: Mein Sohn, ein gelernter Zimmermann (unter anderem, jetzt studiert er Geschichte; ein wahrer Tausendsassa also, aber das darf man ihm nicht sagen, sonst wird er übermütig, belassen wir es also bei einem Neunhundertfünzigsassa), hatte nach den Angaben in der Reparaturanleitung einen hölzernen Original-Motorständer gebaut, den ich auf handelsübliche Rollbretter stellte und so den Motor überall hinschieben konnte. Hätte können, denn ich brauchte das gar nicht, weil es einen Kran gab. Der war mir zumindest versprochen worden.


Wozu lässt man denn die Jugend was Ordentliches lernen?

Zunächst wollte ich aber den Zylinderkopf abnehmen, um zu schauen, ob es vielleicht nur an der Dichtung lag. Ich war alleine und der Kran noch nicht zur Stelle, konnte es aber nicht erwarten, nachzuschauen. Wer neugierig ist, muss leiden, so stellte ich mich breitbeinig auf die Jambonneaux über den noch eingebauten Motor mit dem gelösten Kopf samt Krümmer (die Auspuffrohre waren natürlich abgeflanscht) und hob.

Erich Kästner meinte einmal, es gäbe nichts Gutes, außer man tut es. Der Umkehrschluss ist leider nicht zutreffend. Wenn man einmal die Fünfzig überstanden hat, sollte man nicht aus einer schlechten Position heben. Das merkt man aber erst, wenn man es tut und erfährt dann, dass das durchaus nichts Gutes ist. Ich habe heute noch Kreuzweh.

Trotzdem bekam ich den Kopf vom Motor, indem ich mit meinem durch die symbolische Wand ging. Mit dem schweren Kopf samt Krümmer in der Hand tappte ich wie ein Tanzbär im Motorraum herum und trampelte natürlich auf diverse Kabel, die sich aber später als erstaunlich überflüssig erwiesen (oder waren sie bloß falsch angeschlossen?). Mit einem Seufzer, der Atlas zur Ehre gereicht hätte, wie der dem Herakles vorübergehend das Gewicht der Welt überließ, legte ich den Kopf auf einen der bereitgestellten Heurigentische (den Zylinderkopf, wohlgemerkt, der Abend war ja noch jung). Hier erwies sich wieder einmal deren Qualität, immerhin muss ein derartiges Tischerl ja nicht nur etliche Weinkrüge und Teller mit Schnitzeln sicher tragen, sondern auch das Gewicht der Behältnisse, in die der Wein und die Schnitzel im Verlauf des Abends dann umgefüllt werden, nämlich das der Gäste zu späterer Stunde.

Für diesen Abend ließ ich’s aber sein, denn außer einem schiefen Kreuz hatte ich auch die Gewissheit, dass es nicht an der Kopfdichtung lag. Im Gegensatz zu meinem war der Kopf des Six dicht. Außerdem war er plan, weil ich ihn vor nicht allzu langer Zeit hatte schleifen lassen, wobei auch eine defekte Ventilschaftführung erneuert worden war (von Dichtung kann wohl keine Rede sein, außer man meint damit Erzählungen, dass Citroen etwas Derartiges in den Kopf eingebaut hätte).

Also musste der Motor doch raus. Das Lösen der Befestigungen ging leicht vonstatten, hatte ich selbiges doch bereits mehrmals durchgeführt (wie jeder Six-Eigner, der etwas auf sich hält, wie gesagt). Das Herausheben war ein Kinderspiel, das ich alleine betrieb, weil gerade keiner da war, der mitspielen hätte können. Ich hätte ihn aber auch gar nicht lassen. So einfach flutschte das 300kg-Ding aus seinen Lagern und auf den bereitgestellten Bock, dass man hätte meinen können, der Motor freute sich, einmal woanders zu nächtigen. Sozusagen fremdzugehen.


I think I can fly

Etwas schwieriger gestaltete sich das Abflanschen des Getriebes, denn der Bock war darauf ausgerichtet, Motor samt letzterem zu beherbergen. Ich werkte verzweifelt mit untergestelltem Wagenheber, denn wie man weiß (siehe vorherige Beiträge), pflege ich das Getriebe auszubauen, ohne den Motor heraus zu heben. Da man eingefahrene Routinen nie ändern soll, hätte ich natürlich das Getriebe vorher ausbauen sollen, aber das wäre dann doch so derart gegen den guten Geschmack gewesen, dass ich mich auf die bei allen anderen Six-Eignern übliche Methode verlassen hatte.

Auch das überstanden, ging es ans Eingemachte. Die Ölwanne wurde abgeschraubt und der Motor gehoben, wobei einiges zutage trat, vor allem die Ölpumpe. Die war bei der vorigen Revision ebenfalls überholt worden, also sollte sie funktionieren.


Won’t you be surprised to see me?

Ich habe das Wort „überholen“ nie gemocht. Ich überhole auch nicht gerne, was daran liegen mag, dass ich einen Rechtslenker fahre. Vielleicht hat das Unbehagen auch in einer peinlichen Episode vor vielen Jahren seinen Ursprung, sozusagen einem frühen Trauma. In den 1980ern wollte ich einmal einen Lada verkaufen, den ich zu Funktionsschrott gefahren hatte, also zu Schrott, der aber noch funktioniert – was bei Ladas keine Kunst, sondern eher der fabriksmäßige Neuzustand ist – und ich bat meinen Vater, eine entsprechende Annonce in der Lokalzeitung aufzugeben. Er schlug angesichts der jüngsten Ausgaben die Wendung „guter Zustand, überholt“ vor. Ich meinte am Telefon, überholt sei übertrieben, ich hätte das Wort lieber gestrichen. Mein Vater, als Norweger des Deutschen nicht in allen Verästelungen mächtig, gab dann die Annonce auf, die mit den Worten „überholt und gestrichen“ erschien. Der Käufer meinte später, er hätte sich überhaupt nicht gewundert, denn es habe sich um eine adäquate Beschreibung gehandelt.

Also die Ölpumpe funktionierte laut mechanischem Öldruckmesser, der allerdings etwas unzuverlässig war und öfter einmal sabberte (er war ja auch schon älter). Jedenfalls kein offensichtlicher Grund zur Besorgnis. Auch der Schlamm der Zeiten hatte sich, mangels letzterer, nicht wirklich zu einem technischen Problem entwickelt, es war eher ein ästhetisches. Dennoch machte ich mir Sorgen, wie ich die Ablagerungen aus dem Motorraum bekommen sollte, denn einfach drin lassen wollte ich sie auch wieder nicht. Wenn schon.... Der Block war auf einem alten Bürotisch abgestellt worden (österreichische Beamte arbeiten seit je her ausschließlich auf solider Grundlage) und lag nun waagrecht.


Solide Arbeitsgrundlagen sind Voraussetzung

Die Laufbuchsen konnte ich (mangels Kilometerleistung und Verbleib-Zeit) leicht ausbauen, wozu ich die Pleuellager öffnete, so dass alles samt den Kolben nach oben zu entnehmen war. Ich hatte eine Druckluftanlage erstanden und blies den Dreck nach eingehender Einweichung mit Benzin heraus, wobei ich die offenen Pleuellager vorsichtshalber eingepackt hatte.


upside down and inside out, you turn me

Sodann inspizierte ich die alten Kolben und Laufbuchsen. Erstaunlicher Weise waren kaum Verschleißspuren feststellbar. Es fragte sich, warum eigentlich der Motor nicht so recht funktionieren wollte und rauchte. Die Kopfdichtung war in Ordnung, die Kolbenringe hatten keinen Bruch, die Laufflächen erwiesen sich als nicht übermäßig beansprucht – ein Rätsel. Da ich aber gewohnt war, bei einem Six ausschließlich auf Rätsel zu stoßen, wenn es um die Erklärung von irgendwelchen Malaisen ging, dachte ich nicht weiter darüber nach. Bisher hatte sich jedenfalls diese Strategie als segensreich erwiesen. Hätte ich jedes Mal logisch zu denken versucht, säße ich heute wohl in der Klapsmühle.

Ich beschloss also ohne weitere Grübelei, Kolben und Laufbuchsen auszutauschen. Ansonsten hätte ich ja auch keine der begehrten Trophäen-Aschenbecher und damit keinen Beweis meiner Abenteuer erhalten. Die Kolben erwiesen sich übrigens als überaus hübsche Trophäen, denn sie hatten ja, ebenso wie die Laufbuchsen, kaum Gebrauchsspuren.

Wie jeder erfahrene Citroenist weiß, gibt es nun unterschiedliche Ersatz-Kolben für die Traction. Die ursprünglichen waren offenbar symmetrisch bezüglich der Achse, mit der die Pleuel in die Kolben eingreifen. Spätere verbesserte Austausch-Versionen hatten asymmetrische Positionen für die Pleuellagerachse im Kolbenboden, die den Druckunterschied ausgleichen sollten, der dadurch entstand, dass der Arbeitstakt sozusagen nur auf eine Kurbelwellenhälfte wirkt. Wenn der Kolben durch die Explosion des Benzin-Luft-Gemisches nach unten geschleudert wird, wird die Kraft auf die Kurbelwelle nämlich auf die Seite übertragen, auf die die Kurbel im Arbeitstakt zeigt. Wenn daher die Achse des Pleuels in diese Richtung versetzt wird, steigt die Effektivität, so der Gedanke.

Dieser mag ja richtig sein; allein er wird zur Chimäre, wenn der Kolben falsch herum im Zylinder sitzt. Dann verkehrt sich das Resultat ins Gegenteil und die Effektivität wird geringer, weil eine zusätzliche Querkraft über die zur Zylinderachse schräg stehenden Pleuel auf die Kolben und Laufbuchsen wirkt, nicht viel, aber merkbar. Die Leistung sinkt, der Druck auf die Kolbenringe und Lager steigt, ebenso der Verschleiß. Das war genau das, was bei der letzten Motorüberholung schief gegangen ist. In zweien der Zylinder war der Kolben falsch herum eingebaut, mit entsprechendem Resultat. Wären originale Kolben mit symmetrischen Achsen verwendet worden, wäre die Einbaurichtung egal gewesen.

Der Leser mag bereits gelauert haben – ja, ich hatte schon neue Kolben und Laufbuchsen bestellt, was die Entscheidung, den Tausch auch wirklich zu vollziehen, natürlich beeinflusst hatte, um nicht zu sagen vorweggenommen. Es handelte sich um eine neue Sorte, die mir Albi Schorta empfohlen hatte. Am Telefon schilderte er mir mit einer Überzeugungskraft, die einem Zeugen Jehovas Ehre gemacht hätte, die Errungenschaften dieser Ersatzteile. Er raunte verlockend von einer Teflonbeschichtung, der fabriksmäßigen Baugleichheit mit dem Original und der sorgfältigen Verarbeitung von „Perfect Circle“, von der er sich bei einer kürzlich erfolgten Revision eines 11er Motors mit ausgezeichnetem Ergebnis überzeugen hatte können. Komplett überzeugt von den Vorteilen hatte ich einen Satz Kolben und Laufbüchsen samt Kolbenringen geordert und wenig später in sorgfältigster Verpackung wie in einer Schatzkiste erhalten. Wegen allfälliger Fragen: Gentlemen sprechen nicht über Geld, vor allem wenn sie ein advanced vehicle designed for the upper middle classes ihr Eigen nennen.


Precious little things

Mit gentleman-like steifer Oberlippe packte ich also den Schatz aus und inspizierte ihn. Es war tatsächlich eher ein Fall für den Juwelier als für den Mechaniker; entsprechend freute ich mich auf den Einbau. Dieser ging auch glatt vonstatten; die Kolbenringe flutschten in die vorgesehenen Riefen und alle Maße schienen zu stimmen.

Wie bereits auf obigem Tisch-Bild ersichtlich, hatte ich mir außerdem die moralische und praktische Unterstützung zweier erfahrener Vollprofi-Freunde (sowohl was die Automechanik angeht als auch was die Freundschaft betrifft) gesichert, so dass ich guter Dinge Aufgaben in Angriff nehmen konnte, zu denen ich mich bis vor kurzem nie und nimmer im Stande gesehen hätte. Was mir wieder deutlich vor Augen führte, dass man sich umso wohler fühlt, je weniger man die Verantwortung für die eigenen Handlungen ganz allein selber übernehmen muss. Ernst und Martin sei hier daher herzlich gedankt.

 
With a little help from your friends

Die Taktik der verteilten Verantwortung, wenn auch bloß ein subjektiver kleiner Trick, zahlte sich aus. Alles klappte wie am Schnürchen, ich konnte zum Beispiel auf das kleinste Maß an Dichtungsringen für den Zylinderfuß zurückgreifen, die ich nach dem Ausmessen mit ein wenig Dichtmittel einließ und an die entsprechenden Stellen pappte. Bei der letzten Motorüberholung war der Kopf plan geschliffen worden, so dass jetzt die Überstände exakt dem Soll entsprachen. Ebenso waren die Lager erneuert worden, so dass hier keine bösen Überraschungen lauerten. Ich, das heißt wir, fädelten die Kolben von unten in die Büchsen, setzten die Büchsen von oben an ihren Platz und montierten die Pleuellager mit dem angegebenen Drehmoment, ohne dass die Kurbelwelle herausgenommen werden brauchte. So machte das Arbeiten Spaß... und im Zweifel waren die anderen schuld.

Im Hochgefühl dessen, der einer Aufgabe leicht gewachsen war, schraubte ich am nächsten Tag, diesmal alleine, die Ölwanne unter den Motor und den Zylinderkopf auf den Block. Außer dass ich vergaß, die Ölfilterschraube nach Danis Anweisung festzukleben, beschlichen mich auch erstmals wieder leise Zweifel. Ich war ja alleine.

Verantwortungsteilung auf Vorrat funktioniert nicht so gut wie ad hoc, und ich hatte vorher offenbar zu viel gefragt. Roger Willliams, der in England als Traction-Guru schlechthin gilt, hatte mich seiner Freundschaft und seiner Ratschläge für würdig befunden, wohl weil ich einen längeren theoretisch-mechanisch-philosophischen Meinungsaustausch über Antriebswellen mit ihm etablieren konnte. Eingedenk dieser Ehre hatte ich ihn besucht, um die von ihm konstruierten und gebauten Wellen abzuholen (die inzwischen übrigens zu vollster Zufriedenheit ihren Dienst versehen). Auf die Frage, wie mit möglichen Undichtigkeiten des Kopfes umzugehen sei (des Zylinderkopfes wohlgemerkt, sonstige Leckagen wollte ich angesichts seines unbeugsamen Enthusiasmus für den Dampfantrieb nicht direkt ansprechen), hatte Roger nun das Anzugsmoment der Zylinderkopfschrauben erwähnt. Laut Reparaturanleitung betrüge dieses lediglich fünf Meterkilogramm; viel zu wenig für heutige Materialien, wie sie für Kopfdichtungen verwendet werden. Die alten Kupfer-Asbest-Dichtungen mögen bei solchen Anzugsmomenten dicht gewesen sein, heutige aber mitnichten. Was kommerziell erhältlich sei, sei eine Kupfer-Camouflage, die aber neue Materialien enthalte. Daher sei es notwendig, höhere Anzugsmomente, mindestens acht Meterkilogramm, und entsprechend hochfeste Schrauben statt der Stehbolzen zu verwenden. Dazu müsste aber entsprechend Vorsorge getroffen werden, dass die Schrauben nicht ausreißen, indem der Block längere Löcher für mindestens 20mm-Schrauben erhalte. Man könnte dies, indem man die vorhandenen Bohrlöcher im Block mit einem Bohrer vertiefte und mit einem geeigneten Gewindeschneider bearbeitete.

Ich stand also mit einer elektrischen Bohrmaschine vor dem Block und sollte in die Schraublöcher für die Zylinderkopfschrauben hinein bohren. Meine Zähne klapperten ebenso laut wie die Ventile, die ich, wie ich meinte, nicht richtig einstellen hatte können, was ja zu dem Plan beitrug, die Sache auf eigene Faust zu versuchen. Zitternd hob ich die Maschine und fädelte den Bohrer in das erste Loch hinein. Bevor ich aber einschaltete, wurde das Zähneklappern so laut, dass ich das Einsetzen des Bohrvorganges nicht hätte hören können, und so beschloss ich, den Bohrkopf wieder heraus zu nehmen. Ebenso erging es mir bei den nächsten drei Löchern. Daraufhin sah ich ein, dass ich wohl nicht Manns genug war, diesen Job durchzuziehen, und ich gab auf.

Wiewohl Rogers missbilligender Blick vor meinem geistigen Auge erschien, legte ich die handelsübliche Camouflage-Dichtung auf, stülpte den Kopf darauf und drehte die neuen hochfesten Schrauben ein. Dann setzte ich den Drehmomentschlüssel an und zog die Schrauben mit 4 Meterkilogramm fest. Nach einem Probelauf (einige Tage später) zog ich mit 5 mkg an, und dann noch einmal mit zitternden Knien und 6,5 mkg. Glücklicherweise ist mein Drehmomentschlüssel so ungenau, dass ich nicht ganz exakt weiß, mit wie vielen mkg die Schrauben tatsächlich sitzen. Jedenfalls ist bis jetzt keine Leckage eingetreten. Ich vermute vor allem deswegen, weil die hochfesten Schrauben sich nicht trauen, Anlass für Undichtigkeiten zu geben. Immerhin haben sie ja eine Reputation zu verlieren.

Aber ich greife vor. Denn noch ging es ja nicht um einen Probelauf, sondern darum, den revidierten Motor wieder in den Wagen zu bugsieren. Auch das erwies sich als relativ einfach und alleine zu bewerkstelligen, vor allem angesichts der Tatsache, dass darin ja eine gewisse Übung bestand. Das vorletzte Mal hatte der Fachmann, der das besorgte, einen Handy-Anruf bekommen während er mit dem Einfädeln zugange war, und in Imponierpose in den Apparat gebrüllt, er könne jetzt nicht reden, weil er gerade einen Six-Motor einbaue – ich war damals mächtig stolz, Anlass eines derart bedeutenden Ereignisses zu sein. Wie ich das ganz alleine selber besorgte, schien mir der Anlass weit weniger außergewöhnlich. Es kommt halt auf die Inszenierung an und auf die Frequenz. Für einen Six-Piloten, der etwas auf sich hält, keine große Sache, wie gesagt, sondern ein Job für die Zeit zwischen Heiligabend und Weihnachten.

Dass die Kurbelwelle sich frei drehen lässt, hatte ich natürlich überprüft. Wie der Motor im Auto saß und die Zusatzaggregate eingebaut waren, kam aber der große Moment: würde der Motor von selber laufen? Ich nahm vorsichtshalber an, dass das nicht der Fall sein würde, und behielt selbstverständlich Recht. Irgendetwas mit der Zündung schien nicht zu stimmen. Ich baute die 1-2-3-Zündung wieder aus, die ich wieder montiert hatte, nachdem sie vorsichtshalber entfernt worden war, damit ihr bei der Motorrevision nicht passierte. Mit einem alten mechanischen Verteiler sprang der Motor dann problemlos und mit seidenweichem Lauf an – und ich um das Auto herum.

Ich war selig, zückte mein Handy und gab den (nicht vorhandenen) Motorlärm brühwarm an meine Kumpels weiter, die mir bei der Montage geholfen hatten. Die hatten natürlich Mühe, etwas zu hören, aber das war es ja gerade. Es war geschafft! Kein Ruckeln, kein Klappern mehr, nur seidenweiches Geläut wie von Kirchenglocken – so schien mir jedenfalls. Kritische Stimmen, die mich kennen, werden einwenden, dass ich doch allergisch auf Kirchenglocken sei. Dani Eberli etwa fühlt sich jedes Mal verpflichtet, alle Fenster hermetisch zu verriegeln, wenn ich in Benken übernachte, weil sein Haus direkt neben dem Kirchturm steht und aus unerfindlichen Gründen die örtliche Schweizer Geistlichkeit der Umgebung unbedingt lauthals mitteilen muss, dass eine viertel Stunde vergangen sei, auch wenn das zwischen 3.30 und 3.45 in der Früh ist, wenn anständige Christenmenschen des Schlafes pflegen. Andere übrigens auch.

Das Hochgefühl hielt an, solange der alte mechanische Verteiler drin war, und verstarb, wie ich meinte, die 1-2-3-Zündung wieder einbauen zu sollen, weil die doch hätte funktionieren müssen wie sie bisher funktioniert hatte. Sie musste offenbar nicht oder fühlte sich jedenfalls nicht dazu verpflichtet. Schweren Herzens baute ich den alten Verteiler wieder ein, der, eingedenk seiner Lückenbüßerrolle, daraufhin ebenfalls beleidigt den Dienst quittierte. Jetzt ging gar nichts mehr, und ich war sauer. Ich spazierte mit der 1-2-3-Zündung zu einem Elektronik-Spezialisten, der sich fachmännisch am Schädel kratzte und meinte, sein Engagement würde sich nicht lohnen, weil er nicht recht wüsste, was da drin wäre. So viel wusste ich allerdings auch.

Ich war wieder einmal völlig verzweifelt, aber dieser Zustand ist einem Six-Piloten ja nicht fremd, daher nahm ich es nicht so tragisch. Man gewöhnt sich daran, und irgendwann erreicht man einen gelassenen, fast schwebenden Zustand, der einem die Niedrigkeiten des hiesigen Daseins nichtig erscheinen lässt angesichts der Herrlichkeiten, die einen erwarten, wenn dermaleinst der Six vielleicht wieder funktionieren sollte. Wozu man aber erstaunlich wenig beitragen kann; es scheint so ähnlich beschaffen wie mit der Seligkeit, die einem diejenigen versprechen, die einen um 3.45 Uhr aufwecken, um mitzuteilen, dass seit 3.30 Uhr eine viertel Stunde vergangen sei. Man ist auf Gnade angewiesen.

Genug der Blasphemie, mir wurde jedenfalls die Gnade zu Teil, dass der Motor sich nach einigen Tagen entschloss, doch wieder zu laufen, wie ich zuerst den alten Verteiler und dann auch die 1-2-3-Zündung montierte. Ich weiß bis heute nicht warum, weil ich nichts anders gemacht habe als vorher, und halte es für ein Wunder, auch wenn ich ein in der Wolle gefärbter Naturwissenschaftler bin. Ein Six lehrt Demut. Ich weiß bloß noch nicht so recht, wovor.

Jedenfalls kann ich behaupten, dass die Operation ein Erfolg war. Ich fuhr den Motor vorsichtig ein und wechselte das Öl nach 500 km, wobei sich einiger Abrieb am Magneten der Ölablassschraube zeigte. Ich nahm das als normal an und fuhr weiter, wobei ich langsam die Drehzahl erhöhte. Die Leistung war erheblich besser als zuvor, und der Verbrauch pendelte sich bei etwa 13 Litern ein – zwei Liter weniger als bisher, zu meiner größten Überraschung. Bis dahin gab es keine Beanstandungen, alles schien normal. Ich wechselte das Öl nach weiteren 1000 km, wieder mit einigem Abrieb.

Dann fuhr ich mit einem Freund (einem derjenigen, die mir geholfen hatten) zu einer kleinen lokalen Rallye, wobei es eine Bergstraße hinauf ging. Er folgte mir mit seinem Jaguar, und als wir nach Hause fuhren, meinte er nach der entsprechenden Bergabfahrt, dass da einiges an blauem Rauch aus dem Auspuff käme. Es zeigte sich auch wieder das seltsame Klappern bei kaltem Motor, das ich für Kolbenkippen hielt und halte. Und der Leerlauf ist wieder etwas unrund geworden, vor allem bei höheren Temperaturen. Mir scheint, dass das Einfahren vielleicht doch etwas gemächlicher hätte verlaufen sollen. Möglicherweise lag es auch am Jaguar hinter mir. Mit anderen Worten, einiges vom Traum hat sich verflüchtigt.

Anderes ist geblieben, so ist die Leistung erheblich höher und der Verbrauch deutlich niedriger. Der Motor läuft insgesamt ruhiger; Ölverbrauch ist vorhanden, im Gegensatz zu den ersten 500 km, aber viel geringer als vor der Revision. Leider leckt der Motor etwas Öl, so dass ich ihn möglicherweise doch noch einmal herausnehmen muss, um die Ölwanne neu einzudichten. Aber das kann einen Six-Piloten ja nicht schrecken. Bis Weihnachten ist die Garage jedenfalls noch verfügbar. Heiligabend habe ich allerdings schon was vor.

Fazit: non, je ne regrette rien – auch wenn mein Traum nicht vollständig erfüllt wurde. Das mit der Pennymünze war wohl zu fantasievoll. Auf der philosophischen Seite habe ich wieder vor Augen geführt bekommen, dass nichts endgültig ist, vor allem, was einen Six anlangt: Es ginge immer noch besser, als es gerade ist. Trotzdem ist es jetzt besser als vorher. Es ist halt alles relativ, wer hätte das gedacht ...

Was ich nicht gedacht hätte: dass die Sache so einfach ist. Bei genügend Platz, so dass man die Baustelle auch mal eine Woche ruhen lassen kann ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen, kann jeder bessere Hobbyschrauber sich eine derartige Revision zutrauen. Weitere wichtige Voraussetzungen sind das Vorhandensein entsprechender Telefonnummern für technische bzw. emotionale Notrufe, ein solider Freundeskreis, eine verständnisvolle Partnerin sowie ein Notfallkasten mit einer Flasche Hochprozentigem. Aber nur einer. Denn das Wichtigste ist, stets den vollen Durchblick zu bewahren.

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