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Raid Laponie 1996, Teil I
(Text von Martin Strubreiter, Photos von SLOTEN.)

OTTAKRINGER MEETS WOLLSOCK

Dann spürten wir das Wetter und wußten: Wenn jetzt noch etwas danbengeht, dann bestenfalls der Fisch

Strecke des ersten Teils Ausgangsposition: Slotens Chef konnte sich plötzlich nicht mehr an einen Urlaubszettel erinnern, Doris wäre beinahe daheimgeblieben worden (Gerhard konnte nix darür!), Helga und Arne schraubten die letzte Nacht durch, damit die Dyane doch noch fertig wird, und mein Chef frug dezent, ob ich vielleicht eine Wette verloren hätte.

Von allen Fortbewegungsmitteln wählten Sloten und ich das allerbeste: Die Acadiane (ungefähr 16 Jahre, 220.000 Kilometer, vier Vorbesitzer, sieben Karosseriefarben) bot genug Platz für alle Kleinigkeiten, die kälteempfindliche Menschen (wie ich) und Biertrinker (wie Sloten) so brauchen: Pullover von schafwollener Flauschigkeit (wer damit in einen Regen kommt, liegt wahrscheinlich vom vollgesogenen Pullover hingestreckt da, bis ihn ein gnädiger Sonnenstrahl erlöst), die feine Damart-Unterwäsche (die schon dem bekannt forschen korsischen Winter getrotzt hatte), original Schafwoll-Socken vom Hasibutz sonder Zahl, Bier in Dosen von 0,33 bis 5 Litern Inhalt.

Unsere Reisevorbereitungen waren eher spärlich, weil das Garagentor am letzten Sonntag vor der Abreise nimmer zuging und das Werkzeug bei minus 8 Grad schon ein bisserl einschnitt, wenn nicht gar pickenblieb. An den Händen freilich, leider niemals an den Schrauben.

Der Tee floß jedenfalls in Strömen, und bald darauf auch das Altöl, weil einer von uns zittrigen Fußes den Schwerpunkt des Auffang-Küberls ein bisserl irritiert hatte. Der Garagenboden ist jetzt jedenfalls nicht mehr ganz neu, trotz heldenhaften Einsatzes von Papierrolle und Sägespan.

*

Warten in TravemündeAb einem gewissen Alter bevorzugt man Fährschiffe. Ich fahre ja nicht so gerne Auto, was vielleicht der denkbar blödeste Satz ist ist, den man einer 7000-Kilometer-Reise vorausstellen kann. Nur so viel als dürre Rechtfertigung: Es genügt ja, einmal vor einer roten Ampel einzuschlafen und zwanzig Minuten später wieder aufzuwachen, durch das sanfte Rütteln eines Hafenarbeiters.

Die Finnjet ist die größte Fähre zwischen Skandinavien und dem schneeärmeren Teil Europas, was sich die Kabinen aber nicht im geringsten anmerken lassen: Vier Personen passen knapp in so eine Schlafbatterie von vier Quadratmetern, müssen sich aber nacheinander umziehen und liegen dann sauber aufgeschlichtet wie heller und dunkler Nougat.

Und: Einer davon schnarcht immer.

Bisweilen aber schnarchen auch zwei. (Manche Themen bringt man am besten gleich hinter sich, um sie nicht einen ganzen Reisebericht vor sich herzurollen wie einen Schneeball: Gü und Roli schnarchen, wie jeder weiß, aber nicht in der Harmonie eines Kanon, sondern gegeneinander, was genauso verstanden werden darf, wie es hier klingt. Gü trägt nächtens Oropax, um sich nicht selbst aufzuwecken, aber Roli zersägt mühelos jeden Ohrstöpsel. Nähere Erlebnisberichte sind bei allen Überlebenden einzuholen, nicht jedoch bei mir. Ich höre ja manchmal schon ein wenig schlecht.)

Als letztes unverschnarchtes Reservat blieb nächtens die Disco, aber wer dort drinnen war, preist und lobt Schnarcher bis ans Ende aller Schläfrigkeit: DJ Chris nämlich war zu recht auf ein Schiff verbannt worden.

Gut aufgehoben war schiffamts auch ein Videofilmer aus dem Mohrrübenland, der vier Stunden nach dem Ablegen noch immer seine Pelzmütze mit flatternden Schlappohren trug, die Schiffs-Parfumerie filmte und seinem Mikrofon erzählte, daß er das alles auch daheim beim Aldi bekäme.

Tief beeindruckt ging ich schlafen.

*

18 Bilder pro Sekunde ... und Roli machte den Oberkörper freiDer finnische Winter empfing uns in Helsinki, wie man es erwarten durfte. Ich meine, da war nix zu sehen vom lauwarmen Abklatsch mitteleuropäischer Wettervorhersagen, die noch Tage zuvor einstellige Minusgrade ans nördliche Ende ihrer Wetterkarte gemalt hatten. Vielmehr zerbrachen die Sonnenstrahlen knirschend unter den Sohlen, die Schatten waren lang wie die Nase eines Politikers, der uns nie belogen hat, und eine seltsame Langsamkeit bemächtigte sich unserer: Das Reifenwechseln im Hafen passierte mit 18 Bildern pro Sekunde, und als die ersten Zeigefinger an den Auslösern zu Playmobil-Greifwerzeugen erstarrten, spürten wir: Wir waren auf der Welt. So mußte es sein.

Es gibt allerdings auch Antworten, zu denen uns einfach keine Frage einfällt.

*

Es gibt aber auch furchtbar abgedroschene Sätze, die man dennoch nicht links überholen kann. Beispielsweise diesen: Die Raid-Teilnehmer sind eine große Familie, und dahinter stecken alle Nuancen der Sympathie, die in Zweijahres-Ringen wächst und reift, weil eine gewisse Stamm-Kundschaft immer dabei ist, und man auch viele andere kennt, von Welttreffen oder Korsika-Umrundungen. Die Stimmung war fein am Beginn, absolut fein am Ende und furchtbar traurig bei der Verabschiedung, das mußte einmal gesagt sein.

Der Hafen von Helsinki, und 36 Stunden weiter links liegt Travemünde
Wir trafen einander also in Helsinki. Ein paar tröpfelten aus den Fähren, andere schlüpften aus befreundeten finnischen Wohnungen, und alle richteten den Bug der Ente nach Nordwesten. Dort liegt, wie jeder Geograph weiß, Vaasa, benannt nach dem geschmackvollen Knäckebrot aus der Fernseh-Werbung, wie jeder Videot weiß.

450 Kilometer sind freilich eine fesche Strecke, während der das Wetter zwischen allen Extremen winterlicher Wunderlichkeit mäandern kann: Zuerst schien ein bisserl die Sonne, dann schneite es wieder, und gleich darauf ging die Welt unter. Die ganze Gegend gerann in einer milchigen Masse, der Tag blendete sich langsam aus, und der Schnee wehte von links vorne. Das ist zwar keine geographisch fundierte Angabe, darf aber als erste Näherung stehenbleiben. Sloten "Es ist ja alles so schön" Rotter freute sich kindlich über das schneeverwehte Heck der AKDY, ich eher übers Ankommen.

*

Vaasa liegt direkt am Meer, dieses war üppig gefroren und zeigte schneefreie Rundkurse in Entenbreite. Zuerst driftete Sloten "Hau ja nicht die AKDY um" Rotter, dann entriß ich ihm das Steuer und trat kurz danach ein Kabel vom Zündschloß, unbemerkt und unabsichtlich. Während alle rätselten, ging ich geknickt schlafen.

*

Viele Kilometer einer Raid Laponie finden auf Fähren statt. Unsere tauchte am nächsten Tag bei Vaasa in den Nebel und fuhr, bis sich Schweden im allgemeinen und Umea im besonderen aus der Suppe schälten.

Das Glitzernde im Vordergrund ist das Eis der Straße ...Das Wetter wurde langsam einsichtig. Nicht zum Spaß hatten wir am Vorabend denen daheim diesen Winter von skandinavischen Dimensionen an die Kapuze gewunschen, damit sie einmal wissen, wie der wirklich den Alltag schiefrückt oder auch nicht. (Heute wissen wir, wir haben übertrieben. Das ist Anfängerpech, aber wir lassen uns nix anmerken und pfeifen ein fröhliches Liedchen in den Himmel, wenn die Sprache auf den langen Winter, die Sau, fällt: "Flieger, grüß mir die Sonne", oder ähnliches.) Bei uns jedenfalls waren die folgenden Tage in Sonnenschein getaucht, oder vielmehr das, was dort oben von 24 Stunden übrigbleibt, wenn man die Nacht subtrahiert und die Dämmerung.

Davon später, ich habe jetzt nicht die Kraft, das auszurechnen.

Interessant ist auch, mit welch schöner Regelmäßigkeit uns Einheimische erklären, wir hätten aber wirklich die kälteste Woche des Jahres erwischt. So auch diesmal. Allerdings dürften in Skandinavien viele kälteste Wochen des Jahres herumhuschen, wie eine erlesene Kollektion von Außenthermomentern an einer schwedischen Tankstelle ahnen ließ: Jedes einzelne reichte bis minus 50 Grad, kratzte aber nur ganz leicht am positiven Teil der Skala.

Derlei beruhigt.

Eine herbe Enttäuschung hingegen war der nordische Eiskratzer. Unser Geschenk-Exemplar schaute drein wie eine Teigkarte und zeigte sich an der Scheibe eher ratlos. Man konnte mit ihm hervorragend Eisblumen in den Reif kratzen oder Wellenmuster in die Frühstücksbutter wedeln, als Reisemitbringsel hingen schied es sofort aus.

*

Die Rache der Verwesung oder: "Surströming"5. Februar, 310 Kilometer von Arvidsjaur nach Fauske. Gemäß einer alten Lappland-Entenfahrertradition überfuhren wir den Polarkreis aber nicht einfach, sondern hielten an, um eine erlesene schwedische Spezialität zu verkosten: Surströming, oder: die Angst des Entenfahrers vor dem Aufstoßen. Für unsere frischesten Leser: Es handelt sich bei diesem Gericht um Fisch, der, wahrscheinlich eines natürlichen Todes gestorben, mit Zuckerlösung eingedost worden war. Die Verwesung war emsig, der Geruch entstellte auch bei minus 25 Grad den einen oder anderen Gesichtszug, und die Freude auf den letzten Bissen war groß und weit wie finnische Wälder.

Einem Entenfahrer aus Oberösterreich sprang der Fisch vom Teller, worauf andere Raidteilnehmer heftig mit dem Geruch ihrer Schuhsohlen kämpften. Des Oberösterreichers Gaumen blieb dadurch zwar unbehelligt, trotzdem grauste ihm, der bestenfalls Fischstäbchen zuläßt, ein wenig, und er übermalte einen Namen aus seinem Wortschatz mit einem Zensurton. Seither kauft er Piepstäbchen, und unser Landwirtschaftskommissär in Brüssel heißt Piepler.

Sloten und ich verhängten im Auto sicherheitshalber Rede- und Rülpsverbot und öffneten den Mund nur, um darin eine feine Familienpackung Keks zu verstauen. Das Ringen um die Geschmacks-Oberhand jedoch gewann der Fisch.

An dieser Stelle der Reise hofften wir erstmals, die Erinnerung möge sich bald verdunkeln und wieder rein aus der geistigen Dämmerung steigen wie chlorfrei gebleichte Winterluft.

(Fortsetzung folgt)

Martin

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