Die Entwicklung der Automobilfirma Citroën
Author: Axel Polanschütz
2 Die Herkunft und die Vorfahren der Familie Citroën
Die Vorfahren von André Citroën stammen aus Amsterdam. Im
Jahr 1806 heiratete Roelof, damals noch ohne offiziellen Familiennamen, die
Tochter eines Schmieds, Rosje. Diese verdienten ihren Lebensunterhalt als fahrende
Fruchthändler in den Dörfern um Amsterdam. Laut Wolgensinger
waren sie auf den Verkauf von exotischen Früchten spezialisiert. Bei einer
Volkszählung erhielt Roelof, einem Erlaß der französischen Besatzungsmacht
folgend, den Nachnamen Limoenman, in Anspielung auf seinen Beruf.
Roelof Limoenman starb bereits im Alter von 36 Jahren und hinterließ
zwei Kinder, Barend, damals sechs Jahre alt, und Sara, welche zu diesem Zeitpunkt
zwei Jahre alt war.
Barend Limoeman erlernte das Juwelierhandwerk. Im Alter von zwanzig Jahren
lernte er Netje Rooseboom kennen, Tochter eines Uhrengroßhändlers.
Der Vater von Netje machte eine Heirat der beiden davon abhängig, daß
Barend seinen Nachnamen auf eine gefälligere Version änderte. Als
1831 Barend Limoenman und Netje Rooseboom heirateten, ließ dieser seinen
Familiennamen in Citroen umändern. Citroen, damals noch ohne Trema geschrieben,
bedeutete auf holländisch Zitrone.
Dieses Ehepaar hatte vierzehn Kinder, wovon jedoch die beiden letzten
in früher Kindheit starben. Von den sechs Söhnen lernten fünf
einen Beruf wie Goldschmied, Juwelier oder Diamantenschleifer. Auch zwei Schwiegersöhne
kamen aus diesem Metier.
Barend Citroen schickte um 1865 einen seiner Söhne, Levie, nach Warschau,
wo die Familie Verwandte hatte, um dort neue Absatzmärkte für das
Diamantengeschäft zu erschließen. Ab ca. 1870 wechselten die Diamantenhandelsplätze
nach Südafrika, wo im Transvaal und am Kap die ersten Diamantenbergwerke
eröffnet wurden. Die Gründe für diese Reise waren neben der Eröffnung
der ersten Bergwerke am Kap, auch neuartige Fördermethoden, wodurch man
eine Überschwemmung des Marktes befürchtete und damit verbunden einen
Preisverfall.
Levie Citroen lernte in Polen Masza-Amalia Kleinmann kennen, Tochter von
Isaac-Usher und Maria-Rachel Kleinmann. Am 31. Oktober 1870 vermählte sich
in Warschau Masza-Amalia Kleinmann mit Levie Barend Citroen. Zwischen 1870 und
1872 mußte das junge Ehepaar schließlich von Polen nach Frankreich,
in die Seine-Metropole Paris, umgezogen sein.
Schweitzer schreibt in ihrem Werk .André Citroën, Pour une
histoire du XX siècle. allerdings, daß Levie Citroen mit seiner
Gattin erst 1873 in Paris angekommen sei.
Man bezog dort eine Wohnung in der Rue de Chateaudun 5, im neunten Arrondissement.
Im Sommer 1872 wurde ihre erste Tochter Jeanne geboren, auf welche ein Jahr
später der erste Sohn Hugues folgte. Jeanne Citroën heiratete einen
polnischen Bankier namens Bronislas Goldfeder, welcher ein Bekannter der Großeltern
Kleinmann war, und ließ sich mit ihm in Warschau nieder.
Zwei weitere Kinder wurden im Jahr 1874 und 1875 geboren, eine Tochter
namens Fernande und ein Sohn namens Bernard. Diese beiden wurden allerdings
nicht in Paris geboren, sondern in Enghien-les-bains und Montmorency, wo ihre
Mutter wegen asthmatischer Beschwerden eine Sommerkur machte.
Am 5. Februar 1878 wurde schließlich André
Gustave Citroen geboren, laut standesamtlicher Eintragung eine halbe Stunde
nach Mitternacht. In der originalen amtlichen Eintragung heißt es übersetzt:
.Mittwoch 6. Februar 1878, um 10.00 Uhr Vormittag, Geburtsakt des uns vorgeführten
André Gustave, männlich, geboren am 5. des Monats, eine halbe Stunde
nach Mitternacht, bei seinem Vater und Mutter, rue Lafitte 44, Sohn von Levie
Bernard Citroën, Händler, Alter 35 und Amalia Kleinmann seiner Mutter,
ohne Beruf, 25 Jahre alt, vermählt am 31. Oktober 1870 in Warschau (Polen,
Rußland). Als Zeugen der Vaterschaft haben Henri Glass, Handelsangestellter,
Alter 35 Jahre, wohnhaft in Paris, rue Vivienne 53 und Jean Léopold Karpeles,
Handelsangestellter, Alter 38 Jahre, wohnhaft in Paris, rue Lamartine 46, gemeinsam
mit dem Vater und mir Alfred Dutarte, Bürgermeister-Stellvertreter, nach
der Durchsicht unterzeichnet..
Auch in Paris war die Familie Citroën im Diamantengeschäft
tätig. Der Vater von André Citroën hatte zwei geschäftlicheVerbindungen
für das Schleifen und den Handel von Edelsteinen. Die eine Verbindung reichte
nach Amsterdam, zu seinem Cousin Samuel Metz, die andere nach New York.
Als André Citroen sechs Jahre alt war, beging sein Vater, der damals
unter den Pariser Diamantenhändlern sehr angesehen war, Selbstmord. Die
Gründe dafür sind nicht bekannt. Wolgensinger glaubt diese in den
wirtschaftlichen Problemen wie Preisverfall, obwohl es der Familie Citroen finanziell
gut ging, aber auch in politischen Unruhen und Ängsten zu sehen. Die Kinder
waren zu dieser Zeit mit ihrer Mutter an der Küste der Normandie in Trouville
auf Urlaub.
Betrachtet man jedoch die von Schweitzer
(wahrscheinlich auch nur auszugsweise) angeführten Besitztümer von
André Citroëns` Vater, so läßt sich diese von Wolgensinger
angestellte Theorie der wirtschaftlichen Ängste und Probleme nur schwer
glaubhaft machen.
Nach seinem Tod übernahm seine Gattin die Geschäfte
und deklarierte sich als .négociante en diamants.. Nach New York gab
es eine sehr wichtige, aber auch riskante Beteiligung an einem Brillanten- und
Edelsteinhandel. Nach Levies Tod wurde dieses Geschäft auf einen Wert von
einer Million Francs geschätzt. Levie Citroen arbeitete mit mehreren Banken
zusammen, um auf allen wichtigen Edelsteinmärkten tätig sein zu können.
Drei Monate nach seinem Tod wurde sein Vermögen geschätzt.
Die Höhe der Erbschaft attestierte dem Vater von André Citroën
sehr großen Reichtum. Im Jahr 1973 wird Levie Citroen in .Les Fortunes
francaises au XIX siècle. mit einem Vermögen von 2,4 Millionen Francs
zum wohlhabendsten Kreis der Pariser Bevölkerung gezählt, der einen
Anteil von 0,2 Prozent an der Stadtbevölkerung hatte. 0,6 Prozent seines
Vermögens waren Liegenschaften in Marseille, Paris und Asnières,
Antiquitäten, Juwelen, Wertpapiere im Wert von 116.000 Francs von Diamantenminen,
Diamanten-Förder-Anlagen und von verschiedenen Banken.
vgl.
WOLGENSINGER, 1992, S. 8 ff
vgl.
ebenda
vgl.
SCHWEITZER, 1992, S. 21
vgl.
WOLGENSINGER, 1992, S. 15 f
vgl.
CITROËN REVUE, 1995, No 12, S. 12
vgl.
WOLGENSINGER, 1992, S 20 f
vgl.
SCHWEITZER, 1992, S. 27 f
vgl.
WOLGENSINGER, 1992, S. 20 f
vgl.
SCHWEITZER, 1992, S. 27 f
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